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So oder so ähnlich ist es ihr
wohl ergangen:
"Biene" - eine Katze aus Rodenkirchen, entlief direkt vor einer
Nordenhamer Tierarztpraxis, als sie zum Chippen und Kastrieren gebracht
werden sollte.
2 lange Monate war sie wie vom Erdboden verschluckt - dann meldete man uns
eine Fundkatze in der Nähe der besagten Praxis: und es war Biene!
Wir haben uns hier ein paar "dichterische"
Freiheiten genommen, an den Tatsachen ihrer Geschichte wurde aber
selbstredend nicht herumgedichtet.
Nachzulesen und veröffentlicht in dem Buch
"Manche schlafen ein mit der Katze" - Ein Lesebuch für die Wesermarsch,
Ach-, Lach- und Sachgeschichten von und mit Tieren
erschienen im Geest-Verlag 2013 (ISBN 978-3-86685-444-4) |
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"Biene" - Freiheit wird überschätzt |
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Ich hasse diesen Transportkorb - ist noch nie was
gutes bei rausgekommen, wenn die mich da rein verfrachtet haben. Einmal hat
mich ein fremder Mann, der nach furchtbar vielen Tieren stank, total
indiskret überall angefasst - sogar meine Zähne hat der sich angeguckt und
mir irgendwas unsägliches, kaltes in mein anderes Ende gesteckt…
Ich will da nicht wieder hin! Hörst du, Philipp? Philipp? Hörst du?
Mrauuuu!!
Philipp versucht, sich auf die Straße zu konzentrieren und redet leise
auf Bienchen ein - beruhigend, wie er meint. Die Katze gebärdet sich
ziemlich unleidlich in ihrem Transportkorb und er hat ein schlechtes
Gewissen: ist er doch unterwegs zu einem Termin beim Tierarzt in
Nordenham, Bienchen soll heute kastriert und gechipt werden. Natürlich
weiß er ganz genau, dass es so das Beste für die Katze ist, aber dennoch -
der Gedanke an die Narkose, die Operation und die nachfolgenden Stunden,
in denen es seinem Bienchen gar nicht gut gehen würde, macht ihm zu
schaffen.
„Nur noch ein paar Minuten, Herzchen, dann sind wir da und dann geht es
ganz schnell und wir sind wieder Zuhause“, flötet er und lockert den
Verschluss des Katzenkorbs an einer Seite, als Bienchen immer kläglicher
und lauter maunzt. Er schiebt eine Hand in den Korb und streichelt seine
Katze.
Sie wird stiller und schiebt sich seinen Fingern entgegen. Philipp
lächelt. Alles würde gut gehen.
Wieso redet der in so einem Ton mit mir? Ich wusste, mir steht was
Schlimmes bevor, ich wusste es! Er müsste mich doch nicht trösten,
wenn nichts los wäre!
Oh, da macht er ein Eckchen der Klappe auf… mal sehen, vielleicht könnte
ich ja da raus… dann flitz ich nämlich nach Hause - und noch mal bin ich
nicht so blöd uns lass mich in dieses Ding stecken.
Nun tu doch mal die Hand weg… ich schieb ein bisschen mit dem Kopf… huch -
Mist - er zieht die Hand raus und wir halten an. Ist er zurück gefahren?
Hat er es eingesehen? Was? Oh, shit - jetzt hebt er den Korb an und aus
dem Auto und… nein, das ist nicht Zuhause, alles riecht fremd und klingt
fremd und sieht fremd aus. Aber... die Klappe ist nicht wieder
verschlossen - ha!
Ich drück mal dagegen - jaa! Freiheit - zack auf den Bürgersteig
und los! Ich kenn mich zwar hier nicht aus, aber ich renn mal zur nächsten
Ecke dahinten, wenn ich da abbiege, da erkenne ich sicher irgendwas wieder
und dann kann es ja nicht mehr weit sein… |
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Wie vom Donner gerührt steht Philipp vor der Tierarztpraxis und starrt
einer eilig davonlaufenden Katze nach. Es dauert ein paar Schrecksekunden,
ehe er realisiert, dass das sein Bienchen ist!
„Bienchen!“ ruft er mit kaum unterdrückter Panik in der Stimme und hastet
hinterher. „Herzchen, bleib doch hier… Bienchen…. bitte…“
Er sieht die Katze einen Moment zögernd stehen bleiben, die Häuser mustern
- und wagt kaum zu atmen. Er zwingt sich, langsamer in ihre Richtung zu
gehen, um sie nicht zu erschrecken und weiter fort zu treiben.
„Bienchen“ sagt er lockend. „Komm… na komm her… wir fahren wieder nach
Hause, komm… Es gibt auch Hühnchen, ja? Komm, Schätzchen…“
Nur noch etwa fünf Meter - da kommt ein Radfahrer um die Ecke und Bienchen
flüchtet in die nächstgelegenen Büsche!
Philipp lässt in seiner Angst den Transportkorb einfach fallen und
versucht, seiner Katze durch die Hecke zu folgen - aber er hat sie bereits
aus den Augen verloren, sie ist wie vom Erdboden verschwunden.
Eine schreckliche Stunde vergeht mit der Suche nach Bienchen, vergeht
endlos langsam mit Verzweiflung, leise gemurmelten Flüchen und tiefer Reue
darüber, die Klappe nicht sorgfältig wieder verschlossen - nein, sie
überhaupt aufgemacht! - zu haben…
Entmutigt und mit den Nerven ziemlich runter erkennt Philipp, dass es so
keinen Sinn hat. Er hat wirklich jeden Passanten angesprochen, gefragt, ob
man vielleicht eine getigerte Katze gesehen…? Nein…? Wohnen Sie hier?
Könnten Sie vielleicht mal drauf achten in den nächsten Tagen? Das wär
toll… Danke.
Nein, Visitenkarte hab ich grad nicht… öhm… ach, wenn Sie etwas entdecken,
sagen Sie doch bitte hier beim Tierarzt um die Ecke Bescheid, der weiß
dann schon, da geh ich jetzt nämlich hin, wollte ich ja sowieso…
Ja, danke schön, ich hoffe auch, dass ich sie wiederbekomme. Sie ist ja so
eine liebe Kleine, wissen Sie…Philipp schluckt, als er von weitem den
leeren Transportkorb einsam in der ruhigen Seitenstraße stehen sieht, wo
er ihn hat fallenlassen. Schweren Herzens packt er ihn ins Auto, nicht,
ohne sich nicht noch ein halbes Dutzend Mal umzuschauen, leise zu rufen.
Keine Biene.
Er erzählt die Geschichte dem Tierarzt, der sich Notizen macht und Philipp
die Telefonnummer vom Tiersuchdienst Wesermarsch gibt. Er rät ihm, jetzt
erst mal nach Hause zu fahren.
Dann sitzt Philipp wieder in seinem Auto, der Schlüssel steckt, aber er
fährt nicht los. Er kann sich nicht erinnern, wann er sich zuletzt so
ratlos, so allein und so schuldig gefühlt hat. Wie soll er das bloß seiner
Frau erklären?
Der Gedanke daran, wie sie ihn ansehen wird, wenn er ihr sagen muss, dass
Bienchen fort ist - allein in einer völlig fremden Gegend herumirrt,
fünfzehn Kilometer weit weg von Zuhause… verängstigt und unbekannten
Gefahren ausgesetzt…
Das ist gerade mehr als er ertragen kann - er schluckt hart und dann lässt
er seinen Tränen freien Lauf, wenigstens für ein paar Augenblicke. Und
ruft sich wieder zur Ordnung.
Er räuspert sich und starrt auf den Zettel in seiner Hand mit der
Telefonnummer, die ihm der Tierarzt gegeben hat - er will da jetzt
anrufen, noch bevor er nach Hause fährt. Zum einen gibt es dann vielleicht
schon eine Art Hoffnungsschimmer - und er muss nicht einfach nur diese
entsetzliche Nachricht überbringen. Die Hilfe von dort, hat der Arzt
gesagt, sei das Beste, was er bekommen könne.
Philipp atmet tief durch und wählt.
Zwanzig Minuten später macht er sich - ein bisschen zuversichtlicher als
noch kurz zuvor - auf den Heimweg. Aus dem Zettel mit der Telefonnummer
des Tiersuchdienstes ist eine lange to-do-Liste geworden. Philipp ist
erleichtert, endlich einen Plan zu haben, etwas, woran er sich festhalten
und in das er seine Hoffnung setzen kann. Jetzt muss er alles nur noch
Hanna sagen…
Das gibt’s doch nicht… hier muss doch
irgendwann mal eine bekannte Hecke auftauchen… oder ein Haus, das ich
kenne… jetzt bin ich schon durch unzählige Gärten geschlichen… langsam
werd ich müde… hungrig bin ich auch und allmählich fühlt sich das alles
wirklich überhaupt nicht mehr gut an… Vielleicht sollte ich doch den Weg
zurück und mal schauen, wo Philipp ist… Selbst das Auto wär jetzt besser
als dies hier, da könnte ich mich mal ausruhen… auf dem weichen Kissen in
der Box… also, dass ich das mal denken würde - tzzz…
Ooooh Mist, da ist ein Hund! Ein groooßer Hund und er sieht nicht
freundlich aus… er ist nicht an der Leine und er kommt rübergelaufen - wo
kann ich hin?? Wo ist es sicher??? Verdammt, ich kenn mich nicht aus, wo
kann ich denn bloß hin?! Ich renne, renne, renne, renne um mein Leben!!
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Philipp und Hanna haben die längste Woche ihres Lebens hinter sich.
Heidi vom Tiersuchdienst hatte ihnen zugehört, ihnen Mut zugesprochen und
einen Leitfaden für die wichtigsten Dinge mitgegeben, die zu erledigen
sind in solchen Fällen. Und sich jederzeit als Ansprechpartner zur
Verfügung gestellt. Sie wussten nun, dass ein Foto und eine Beschreibung
ihrer Biene auf der Webseite des Tiersuchdienstes und auch über Facebook
veröffentlicht wurde - so erreicht man unzählige Menschen, erhöht die
Chance, dass einer dabei ist, der Bienchen gesehen haben könnte - oder
sogar bei sich aufgenommen.
Durch die Gespräche mit Heidi hatten sie erstaunt erfahren, dass
unglaublich viele Menschen hier in der Wesermarsch genau wie sie selbst
ihre Katzen vermissen.
Und dass man nicht die Hoffnung aufgeben darf, auch, wenn es länger
dauert…
Sie haben alles getan, was überhaupt Erfolg verspricht, alles, was irgend
helfen kann:
Sie haben Bienchen bei TASSO gemeldet; Heidi hatte ihnen gesagt, dass man
das auch ohne Kennzeichnung und nach dem Verschwinden eines Tieres noch
machen kann - natürlich ist das längst nicht so effektiv, wie eine
Transpondernummer oder eine Tätowierung registrieren zu lassen, aber es
ist besser als nichts!
Philipp hat Bilder an TASSO geschickt und man hat ihm kostenlos
Suchplakate gedruckt in verschiedenen Größen, die hat er bei sämtlichen
Nordenhamer Tierärzten verteilt und zum Tierheim gebracht, beim Bäcker, an
Tankstellen, den Futterläden und überall aufgehängt, wo man ihm die
Erlaubnis dafür gab. Er hat handzettelgroße Suchplakate in zig Briefkästen
geworfen - in den Häusern, die in weitem Radius um die Tierarztpraxis
stehen.
Er hat erfahren, dass Katzen sich häufig noch eine ganze Weile nicht allzu
weit von dem Ort entfernen, wo sie entlaufen - und dass man die besten
Aussichten hat, sie wiederzubekommen, wenn man Nachts auf die Suche geht.
Da ist es ruhiger, die Katzen trauen sich eher aus ihren Verstecken, wenn
die Hektik des Tages vorbei ist… Hanna und Philipp haben die vergangenen
Nächte größtenteils damit verbracht, die dunklen, unbekannten Nordenhamer
Straßen gemeinsam abzulaufen und nach ihrem Bienchen zu suchen.
Noch ohne Erfolg.
Jeden Tag hat Philipp auf der Facebook Seite des Vereins nachgeschaut, ob
es Neuigkeiten gibt - jeden Tag schaut ihm seine Katze mit großen Augen
aus dem Monitor an…
Es war tröstlich zu sehen, wie viele Menschen aufmerksam wurden, die
Daumen drückten und Anteilnahme bekundeten.
Es musste doch mal jemand seine Biene irgendwo sehen!!
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Jetzt wird es schon wieder dunkel, ich muss
aufpassen - gleich kommt hier bestimmt wieder der hässliche, gemeine Kater
durch, der mich immer jagt und verprügelt. Mein Magen knurrt ganz
schrecklich, ich habe einen solchen Hunger!! Gelegentlich findet sich ein
bisschen Genießbares auf einer Terrasse in der Gegend - oft ist es (iiäääch)
irgendwas für Igel, aber manchmal hab ich Glück und es ist Katzenfutter.
Und wenn ich richtig Glück habe, dann vertreibt mich auch keiner - die
Menschen dort nicht und auch nicht die Katzen mit Heimrecht.
Ich renn auch schon längst nicht mehr gleich weg, wenn einer mich
einschüchtern will - nee, nee, nicht mehr mit mir, Leute!
Es gibt eine Menge ätzender Menschen hier… und auch eine Menge
zanklustiger Katzen und Hunde, aber allmählich kenne ich sie und weiß, wo
ich auf der Hut sein muss und wo es sich einigermaßen entspannt mal dösen
lässt… oder sogar übernachten - in der grünen Gartenlaube mit dem lockeren
Brett, an dem vorbei man sich reinschieben kann.
In den ersten Nächten hat es geregnet und ich kannte mich nicht aus -
Hecken und Sträucher haben mich nicht wirklich geschützt und ich war nass
bis auf die Knochen. Kein warmes, trockenes Sofa für mich, kein sicheres
Plätzchen, das mir gehörte und an dem ich nicht jederzeit überfallen
werden konnte!
Einmal hab ich so tief und erschöpft in einer Garage auf einem Stapel
Putzlappen geschlafen, dass ich zu spät bemerkt habe, wie jemand kam und
die Tür verschloss. Drei schlimme Tage hab ich da drin gehockt, nichts zu
fressen, nichts zu trinken… Ich hab geweint und geweint, aber gehört hat
mich wohl niemand.
Menschen… wozu die eigentlich ihre Ohren haben.
Manchmal hab ich mir eingebildet, Philipp oder Hanna rufen zu hören, aber
- das konnte ja nicht sein, hier ist ja nicht unser Zuhause!
Und ich hab die beiden noch nie woanders als zuhause gesehen, folgt also
logisch, sie können hier nicht sein, wenn wir hier nicht wohnen. Ich
vermisse unsere Zu-Bett-geh-Rituale. Und das Bett. Und meinen grünen
Futternapf, der mir ganz allein gehört und um den ich mich nicht prügeln
muss.
Ich weiß gar nicht mehr, wie es ist, keine Angst haben zu müssen.
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Philipp sitzt am PC. Es ist zur Gewohnheit geworden, als erstes nach der
Arbeit seine Mails abzurufen - in der Hoffnung, endlich „Wir haben
Bienchen gefunden!“ lesen zu können…
Jetzt sind es schon sechs Wochen und Hanna und ihm fällt es immer
schwerer, noch an ein gutes Ende zu glauben.
Noch eben bei Facebook einloggen - hat ein User etwas gemeldet, hat einer
Bienchen gesehen? So viele Meldungen über vermisste und zugelaufene
Katzen… jeden Tag. Aber nichts über Biene.
Hanna weint so viel, dass es ihm jedes Mal ins Herz schneidet. Am
schlimmsten sind die Gedanken, die man einfach nicht am Wandern hindern
kann…. die Dinge, die man sich ausmalt… wie die Kleine irgendwo in einem
Schuppen, einem Keller, einer Lagerhalle eingesperrt ist und elend
verdurstet und verhungert… wie sie verzweifelt an den Türen und Fenstern
kratzt und jault und niemand sie hört… Oder wie sie von einem Auto
angefahren oder einem Hund gebissen in irgendeinem dreckigen Versteck
hockt, leidet, sich quält…
Philipp presst seine Fingerknöchel auf die Augen - nicht dran denken,
nicht weinen. Hoffen… |
Es ist was seltsames passiert: Dieser rüpelige
rote Kater, der mich bei jeder Begegnung angemacht hat und aus seinem
Revier verjagt - der war auf einmal ganz anders drauf!
Und ich… also, ich… irgendwie machte mir der gar keine Angst mehr… der
roch auch plötzlich ganz angenehm, so seltsam - aufregend… Natürlich hab
ich das nicht so raushängen lassen, der sollte sich ja nichts einbilden…
aber - wow… was dann gestern abging!
In den letzten Tagen hab ich festgestellt, dass ein paar mehr Kater
auftauchten im Revier…. und ich sie erstaunlich anziehend fand - teilweise
zumindest… Und überall liefen sie mir über den Weg, ich kam gar nicht zum
richtigen Ausschlafen - sogar in meine Sofalaube haben die mich verfolgt…
das ging mir aber dann zu weit, das hab ich klar gemacht und erst mal
ordentlich Hiebe verteilt. Dabei hinterließen wir ein bisschen Chaos und
nun muss ich mir eine neue Bleibe suchen: Diese Menschen, die im Nebenhaus
wohnen, haben das lose Brett festgenagelt und ich kann nicht mehr in mein
Zuhause!!
Kalle hat mich mit zu sich eingeladen - das ist der rote Rüpel - und bevor
ich wieder unruhig und ständig auf der Hut draußen schlafen muss, bin ich
mit in seinen großen Schuppen gegangen. Da gab es Heu und Kartons mit
Decken und so… ganz okay. Seine Leute haben mich nicht verjagt und ein
bisschen Futter mehr hingestellt, damit es auch für mich reicht. Ich hab
aber gelernt, dass man Menschen nicht so einfach über den Weg trauen kann,
also bewahr ich lieber Abstand.
Allerdings nicht zu Kalle… wir haben in den letzten Tagen einige schräge
Sachen gemacht, ich fand’s toll… aber wenn ich so drüber nachdenke… jetzt
reicht’s auch.
Allmählich geht er mir etwas auf die Nerven.
Aber ich will hier nicht wieder weg… mittlerweile kenn ich die ganzen
guten und schlechten Ecken, weiß, wo welcher Hund wohnt und vor wem man
sich in acht nehmen muss… welche Kinder mit Steinen werfen und welche
ungefährlich sind… wo man recht entspannt ein paar Sonnenstrahlen genießen
kann und wo man sich beim kleinsten Geräusch besser auf einen Baum rettet…
Vielleicht sollte ich mal zu den Leuten hier gehen und ihnen klar machen,
wie klasse ich bin - dann jagen sie möglicherweise Kalle vom Hof und ich
kann hier unbehelligt wohnen…
Gute Idee… ich scharwenzle ein bisschen rum, mach auf armes, niedliches
Kätzchen…
Hee - ich bin ne selbständige Katze, ich krieg das hin… gar kein Problem.
Ich möchte einfach einen ruhigen, sicheren Platz. Ich erinnere mich, dass
ich so was mal hatte… |
Hanna stellt - wie jeden Morgen in den letzten acht Wochen, seit dem Tag,
als ihr Bienchen verschwand - den grünen Keramiknapf an die gewohnte
Stelle in der Küche. Sie hat das Gefühl, so lange sie das weiterhin tut,
konnte jeden Moment der erlösende Anruf kommen - „Ihre Katze wurde
gefunden, sie kann abgeholt werden!“
Wenn sie damit aufhört, dann bedeutet das, sie hat die Hoffnung
aufgegeben… und das erscheint ihr tief im Herzen wie ein Verrat an ihrer
so sehr vermissten Biene. Jeden Abend, wenn sie dann das unberührte Futter
in den Abfalleimer kratzt, ist das für sie und für Philipp ein so
unendlich trauriger Moment, aber - nein, sie wird das durchhalten… für
Bienchen.
Philipp und Hanna reden immer wieder in diesen zäh dahingehenden Wochen
mit Heidi vom Tiersuchdienst; immer dann, wenn es einfach zu trostlos, zu
leer und ohne Hoffnung scheint - sie schafft es, dass man sich nach einem
Gespräch mit ihr gleich ein Stück besser fühlt, nicht mehr so abgrundtief
mutlos.
Zwar kann auch sie keine Wunder bewirken, aber - oft kommen die kleinen
Wunder von allein, wenn man schon nicht mehr damit rechnet, sagt sie.
Das Telefon klingelt - ‚Tiersuchdienst‘ zeigt das Display an. Philipp
zögert und sieht zu Hanna herüber… was, wenn es … wenn es eine endgültige
Nachricht ist?
„Es ist Heidi…“, sagt Philipp leise in Hannas fragende Augen.
Die legt eine Hand auf ihr Herz und nimmt ihm das Telefon einfach ab: „Ja,
Heidi? Was gibt’s?“ |
Ich hab’s geschafft… na ja, jedenfalls so in
etwa… so ein bisschen… ich bin im Steinhaus drin bei Kalles Leuten… der
Blödmann steht draußen und guckt dumm, ha! Die haben ihm die Tür vor der
Nase zugemacht und ich darf drinnen sein - komplett mit Küchenduft,
Wohnzimmerteppich, einem Napf ganz für mich alleine und sogar eine
freundliche Hand, die mich mal streichelt… Ich fühl mich noch nicht recht
wohl, weil - das bin ich nicht mehr gewöhnt, Menschen ganz dicht um mich
rum…
Und jetzt kommt noch eine Frau, die ich gar nicht kenne und starrt mich
an… das ist ja unverschämt, die geht um mich rum und starrt mich an. Na
wenigstens tatscht sie mich nicht an und redet auch nicht auf mich ein -
bloß mit Kalles Leuten redet sie und lacht fröhlich, als sie dann auch
noch ins Telefon redet…
Was sagt sie da? Hat sie ‚Biene‘ gesagt? Ich bin das - ich bin Biene!!
Wieso sagt sie, man kann mich abholen? Ich will hier nicht abgeholt
werden, hier bin ich sicher! Bitte bitte, nicht wegholen - ich will doch
endlich wieder ein Zuhause haben!
Meinen Namen hab ich ja schon zurück… |
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Philipp kriegt kein Wort raus, als die Haustür
aufgeht und eine freundliche Frau ihn und Hanna hereinwinkt. Hannas Stimme
ist ganz zittrig und er weiß, sie bewahrt mit Mühe die Fassung, genau wie
er. Er hört Heidis Stimme aus dem Nebenzimmer - und dann sieht er sie:
Bienchen… seine Biene!!
Da hockt sie, ein bisschen rundlich - das ist überraschend - und irgendwie
erwachsen, eigenartig fremd… mit einem Ausdruck im Gesicht, den er nicht
kennt… so durchdringend, misstrauisch und zurückhaltend.
Kann das wahr sein? Sind das wirklich… wirklich
meine Leute??
Was passiert nun? Ziehen die bei mir ein - hier, in mein neues Haus? Kann
das funktionieren?
Hee, spielt Philipp wieder Ball mit mir?? Krieg ich wieder den Bauch von
Hanna gekrault, wenn wir auf dem Sofa liegen?
Oder träum ich bloß?
Hanna hockt sich hin, geht auf die Knie und flüstert: „Biene, ach
Bienchen… meine Süße, meine Biene….“ und vergisst die Leute um sie herum.
„Hühnchen mit Ei wartet zuhause auf dich. Ich hab’s jeden Tag neu
aufgefüllt…. damit du auch ganz sicher zu uns zurückkommst.“
Langsam geht die Katze auf sie zu, zögerlich, stutzig… laut maunzend
plötzlich.
Sie blinzelt.
So lächeln Katzen.
P.S:
Der *hüstel* tiefe Eindruck, den ‚Kalle‘ bei Biene hinterlassen hat, hatte
Folgen - vier, um genau zu sein.
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