Januar 2015
 
Einmischen - wegsehen... was hättet Ihr gemacht?
 
Mir ist Folgendes passiert:

Ich war mit dem Auto in der Stadt unterwegs und sah auf dem Bürgersteig links von mir (ich musste verkehrsbedingt seeehr langsam fahren und hatte also Zeit zum Hinsehen) einen -älteren- Mann gehen mit einem -noch älteren- kleinen Hund an der Leine. Der Mann hielt die Leine SEHR kurz, der Hund hatte sich zusätzlich irgendwie mit einem Bein drüber in eine blöde Position gebracht, die er allein nicht mehr lösen konnte.
Er war, wie gesagt, schon alt und hatte sichtlich auch ohne diese unschöne Situation Schwierigkeiten, mit seinen alten Knochen einigermaßen gut zu laufen.
Und jetzt erst recht: Er hing da deutlich geplagt sozusagen "in den Seilen", wurde mehr hinterhergeschleift, als dass er selber gehen konnte - es war ein jämmerliches, schlimmes Bild und ich dachte nur - "hoffentlich ist der Weg nicht mehr so lang für das Schätzchen".

... und während ich merkte, wie ich sauer über den Mann wurde, der das so anscheinend herzlos mit seinem Hundchen machte, der an seiner Seite alt geworden war und ihn sicher mit ganzer Hundeseele liebte... der Mann schlurfte selbst nicht gerade fußfit und elastisch den Bürgersteig lang - der musste doch WISSEN, wie einen die Knochen schmerzen im Alter und wenn man das mit ihm machen .... na, Ihr wisst schon - solche Gedanken eben............ während es also langsam in mir zu brodeln begann, dachte ich:
'Aber vielleicht hat der alte Mann das noch gar nicht bemerkt, dass sich sein Schätzchen in einer so schmerzhaften und unglücklichen Lage befindet!'

Das wirkt hier aufgeschrieben sehr lang - ist aber natürlich alles in wenigen Sekunden gedacht - wie das so ist....

Was tat ich also?
Bei der nächsten Querstraße bin ich abgebogen, hab gedreht und bin zurückgefahren, direkt neben Mann und Hund, die noch immer in derselben Art und Weise vor sich hin schlurften und schleiften.
Ich aus dem Auto und hab den Mann angesprochen:
"Entschuldigen Sie, ich wollte nur sagen, ihr Hundchen hat sich da verheddert und die Leine ist sehr kurz und stramm, sehen Sie mal" und zeige auf den Hund hinter ihm - der jetzt stark hechelnd und ein bisschen zitternd (kann auch vom Alter kommen, weiß ich) dasteht.
Gerade noch fühle ich mich froh, dass ich umgedreht bin und Mann und Hund helfen kann (wenn ersterer das erst Zuhause gemerkt hätte, womöglich hätte er sich Vorwürfe gemacht, weil er das nicht früher bemerkt hatte - mir wär's so gegangen!) und dann kommt's:
Der Mann würdigt den Hund keines Blickes, pfeift mich an "Kümmer dich um deinen Scheiß", wedelt bedrohlich mit seinem Gehstock in meine Richtung, zerrt an der (immer noch ums Bein gewickelten) straffen Leine, dass es den Hund fast von den Beinen reisst und er für ein paar Schritte auf nur dreien weiterhumpelt!

Ich steh da mit dem Gefühl, als hätte der Mensch mir mit seinem drohend geschwungenen Stock in den Magen gehauen.
Dann bin ich ohne Nachzudenken, nur mit Empörung und Zorn im Herzen, hinter ihm her, hab ihm (immer den Hund im Blick, damit ich dem nicht weh tu) die Leine aus der Hand gerissen, mich runtergebeugt, den Hund 'ausgewickelt', die Leine entrollt und die Schlaufe dem Mann entgegengehalten.
"Es tut mir leid, dass dieser ehrwürdig ergraute Hundemann an einen so herzlosen alten Klotz geraten musste, denn das hat er nicht verdient. Leider darf ich Ihnen nicht sagen, was Sie in meinen Augen sind - das wäre dann nämlich eine Bleidigung, wenn auch die reine Wahrheit."

Der Kerl steht da und glotzt mich an, ohne nach der hingehaltenen Leine zu greifen. So stehen wir da, einige Augenblicke lang und starren uns gegenseitig an - ich zornig, er mit einer Mischung aus Verständnislosigkeit und Ärger. Dann nimmt er die Leine und geht weiter, wortlos.

Ich bin wieder in mein Auto gestiegen und weggefahren.
Gar nicht mehr erleichtert, dass ich - wie ich noch meinte, als ich drehte und zurückfuhr - eine Situation hatte klären können... Da hatte ich noch an eine einmalige Unachtsamkeit geglaubt, der ich ein Ende machen könnte - Hund und Halter zufrieden, ich erleichtert - alles gut. Stattdessen saß ich jetzt bedrückt hinterm Steuer und dachte darüber nach, wie traurig wohl das Leben dieses alten Hundes sein musste... Wär ich bloß nicht umgedreht, ging mir so durch den Kopf - das wär leichter gewesen.

Aber ich weiß genau, beim nächsten Mal misch ich mich wieder ein....
Ich hab das einer Bekannten erzählt (keiner Freundin, der Unterschied ist groß...) und sie meinte: "Ich hätt das gar nicht bemerkt, ehrlich gesagt. Und wenn.... umgedreht? Nee, ganz sicher nicht. Man kann sich doch nicht um alles kümmern."
Nein, kann man sicher nicht, aber - was hättet Ihr gemacht?
Hättet Ihr's gesehen?
Wahrgenommen als eine Situation, bei der man helfen könnte - sollte - müsste? War sie das wert? Oder war das eine unwichtige Kleinigkeit?
Bin ich bekloppt?

Nachdenklich Grüße von

Silvia vom Tiersuchdienst

 

  (Fotoquelle http://lens.blogs.nytimes.com)